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Chaim Ben Chaya

Kammeroper von Daniel Galay

 

Dresdner Neueste Nachrichten, 22.10.2008


Es ist eine seltsame Geschichte, die Daniel Galay in seiner Kammeroper „Chaim ben Chaja" erzählt. Er hat eine jüdische Legende aus Polen aufgegriffen und Text und Musik der knapp einstündigen Oper verfasst. Im Rahmen der jiddischen Woche konnte man die Uraufführung im Theaterhaus Rudi erleben. Wer gemeint hat, ein lebender Komponist müsste auch eine Stilistik zeitgenössischer Musik verwenden, sieht sich getäuscht und zugleich überrascht. Aber die Überraschung ist positiv, wenn man die Übereinstimmung von Erzählung, kulturellem Umfeld und musikalischer Umsetzung betrachtet.

Die Geschichte von dem Baby, das lebendig im Grab seiner Mutter gefunden wird, ist märchenhaft, rational nicht voll erfassbar, aber von hoher moralischer Aussagekraft. Im Grund geht es um die verhängnisvollen Folgen falscher Verdächtigungen und verhärteter moralischer Verhaltensmuster, die sogar religiös verbrämte Normen werden können. Das alles wird nicht expressis verbis geäußert, sondern in der Handlung mehr oder weniger deutlich vorgeführt. Handlung und theatrale Verarbeitung sind von gleicher freundlicher Naivität, die ein Charakteristikum jiddischer Literatur des 19. Jahrhunderts ist. Daniel Galay, Vorsitzender der Vereinigung jiddisch schreibender Schriftsteller in Israel und selbst aus einer jiddisch sprechender Familie stammend, kennt dieses Idiom nur zu gut und hat sich dieses Mittels in der Formulierung des Librettos und in der musikalischen Faktur bedient.

Die Musik ist durchgängig liedhaft, verzichtet auf jegliche intellektuelle Raffinesse. Er kann sich darauf verlassen, dass sich diese Stilistik dem Publikum unmittelbar und ohne Umweg über Gedankenakrobatik mitteilt. Die Inszenierung durch die israelische Sängerin, Musikwissenschaftlerin und Regisseurin Tal Schahar folgt dieser Vorgabe ebenfalls und lässt die beiden Protagonisten Chaja (Sandy Asser) und Schmuel (Detlef Hutschenreuter) ungekünstelt, aber mit einem leicht überzogenen Pathos agieren. Das kann man in Kauf nehmen, weil es der Verdeutlichung der Geschichte dient.

Die Bühne ist auf das unbedingt Notwendige reduziert und lenkt nicht von der Geschichte ab. Zwei Tänzerinnen (Lilli Horvath, Victoria Wolff) sind die einzigen „modernen" Elemente der Produktion und nicht unbedingt erforderlich, obwohl sie den Handlungsablauf in Details verdeutlichen und optisch auflockern. Große vokale Aufgaben sind zu bewäligen. Susann Reibeholz und Matthias Kleinert tun es mit Glanz, stimmlich und darstellerisch gleichermaßen überzeugend. Sie bleiben nicht singende Erzähler, sondern greifen an einigen Stellen auch in das Geschehen ein. Es gelingt ihnen vor allem, den charakteristischen Gestus der Musik mit ihrer beständigen Gratwanderung zwischen heiter und traurig umzusetzen. Friedemann Schulz ist ein verlässlicher musikalischer Leiter der Uraufführung, deren Orchester mit jungen Musikern der Hochschule für Musik, des Heinrich-Schütz-Konservatoriums und des Landesgymnasiums für Musik gut besetzt ist.



Sächsische Zeitung, 22.10.2008


Es ist eine rätselhafte, unheimliche Inschrift: „Hier liegt Chajim Ben Chaje, geboren in seiner Mutter Grab". Zu lesen ist sie auf dem Friedhof von Ostro. Was Legende wurde, soll in dem polnischen Städtchen wirklich passiert sein. Schmuel, dem viel reisenden Holzhändler, und Gattin Chaje, Tochter aus reichem Hause, fehlen zum vollkommenen Glück ein Kind. Chaje wird ungeduldig und nimmt wichtige Papiere aus dem Gepäck, das Schmuel für die nächste Reise geschnürt hat, damit er bald wieder umkehren müsse. Schmuel glaubt an eigenes Versehen und verkleidet sich, um den Spott der Leute abzuwenden. Die nehmen ihn als Fremden wahr, der pikanterweise über Nacht bleibt - und eine hochschwangere Chaje zurücklässt.

Doch Chajes Glück währt nur kurz, denn bald wird sie als Hure geschmäht und vom Rabbi verstoßen. Qualvoll stirbt sie, noch vor Geburt ihres Sohnes, und wird als Sünderin begraben. Dass die Dinge anders liegen, glaubt man erst dem heimkehrenden Schmuel. Und als man das Grab öffnet, findet man neben der toten Mutter ein lebendiges Kind. Sohn Chajim wird zum Zeichen der Unschuld Chajes. Die Gemeinde begreift, großes Unrecht getan zu haben.

Alte Themen, aktuelle Themen: Wie alt diese schaurige Geschichte auch sein mag; die Themen um Vorurteil, Misstrauen und Missgunst sind aktuell geblieben. Der israelische Komponist und Schriftsteller Daniel Galay (geb. 1945) hat darüber eine einstündige, eher rezitierend als reflektierend angelegte Kammeroper geschaffen. Am Montag kam „Chaim Ben Chaya" im Dresdner Theaterhaus Rudi erstmals auf die Bühne.

Das reichlich erschienene Publikum dankte überaus herzlich - für Szenen (Regie: Tal Shahar), die durch ihre Kargheit berührten und mit Sandy Assers ergreifender Darstellung der Chaje besonders gewannen. Das Kammerorchester des Heinrich-Schütz-Konservatoriums Dresden unter Friedemann Schulz brachte die folkloristisch durchwirkte Musik nach Kräften zum Blühen. An Präsenz und Stimmgewalt nicht zu überbieten war Susann Reibeholz als singende Chaje.

Die noch bis zum Wochenende andauernde „12. Jiddische Musik-und Theaterwoche Dresden" hat mit „Chaim Ben Chaya" zweifellos einen Höhepunkt erlebt. Ein Produkt aus Hingabe und Idealismus in Teamarbeit - geschaffen binnen kurzer Zeit und mit einem Budget, wo mancher Musiker nicht einen müden Finger krümmen würde.

 

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