Der Klezmer
Dresdner Universitätsjournal, 20/2008
.…»Bitterböse« nennt es Regisseur Peter Förster und wird
möglicherweise mit der Welturaufführung Ende November im Dresdner
Orpheum in die Theaterhistorie eingehen. Was das Rocktheater
Dresden da aus der Versenkung geholt hat… ist schlichtweg
großartig.
Wer die Megille-Band spielen hört, dürfte kaum Berührungsängste
mit Klezmermusik fühlen. Tuba, Akkordeon, Schlagzeug und vor allem
die Klarinette machen den Rhythmus des zuweilen dramatischen
Lebens fast körperlich erlebbar: Frohsinn und Melancholie, Glück
und Trauer, Aufbruch und Schrecken. Trotz seines Hintergrundes und
zuweilen scharfzüngiger Wortakrobatik ist »Der Klezmer« keine
Tragödie. Mit der unterschwelligen Frage, was wirklich im Leben
zählt, ist das Stück zeitlos aktuell. Die Rollen sind glaubhaft
besetzt.
Mit dem im Stück Naftele Brandwein genannten Hauptdarsteller
(Matthias Kleinert) fiebert man von der ersten bis zur letzten
Minute mit. Zuweilen verursachen die Schauspieler sogar
Schmunzeln, wie wenn der Rabbiner (Karl-Michael Weber) seine
Lebensweisheiten nicht ohne Ambivalenzen verkündet. Oder wenn der
Musikmanager (Beer von Erden) als personifiziertes Klischee durchs
Orpheum rauscht. Überhaupt die Kulisse. Ein wahrer Glücksgriff.
Alle Ebenen des noch wenig bekannten Ballsaales in der Dresdner
Neustadt werden genutzt, die Zuschauer damit permanent zu
Statisten der Handlung. Minutenlanger Beifall würdigt eine
stimmige Ensembleleistung.
Die ausgerufene Parole des Rocktheaters heißt daher zu Recht:
»Montag ist Kreisler-Tag!«…
DRESDNER KULTURMAGAZIN Heft 2/2009
… Regisseur Peter Förster ist nicht nur die „Entdeckung“
des Stückes gelungen, er hat vor allem eine Inszenierung geschaffen, die dem
Kreisler-Text vollkommen gerecht wird – witzig, böse, analytisch, weise
und hinreißend erzählt. Eine kongeniale Verbindung von Wort, Regie und Schauspielkunst…
Unter Försters Regie stehen die Schauspieler des rocktheaters, Laiendarsteller, nun in nichts mehr
ihren professionellen Kollegen nach. Sie loten den Text in seiner Tiefe aus,
nuancenreich und rollenpräsent, kein Zuviel in Stimme, Mimik und Gestik, nichts ist zu
schwach oder gar aneinander vorbeigespielt. Eine enorme schauspielerische Leistung,
die in jedem Moment Emotion und Verstand ausbalanciert und sich auf eine pure Weise
wie selbstverständlich entfaltet. Dass „Der Klezmer“ im Orpheum aufgeführt
wird, rundet das Ganze ab. Der behutsam restaurierte Ballsaal rückt die Aufführung
ins Zeitlose und verleiht Rebeccas Lied einen fast sakralen Ausdruck…